Gestern abend habe ich, was ich nur noch selten tue, einen Spätfilm angesehen. In der Reihe »Sommerkino im Ersten« wurde »Eye in the Sky« von Gavin Hood aus dem Jahr 2015 gezeigt, unter anderem mit Aaron Paul und Helen Mirren. Es geht um den Drohnenkrieg, gezielte Tötungen und die Frage, was an sogenannten Kollateralschäden »akzeptabel« ist, um zum Beispiel terroristische Anschläge zu verhindern. Die Handlung spielt größtenteils in Kenia.
Als das erste Mal die kleine Alia ins Bild kam, wanderten meine Gedanken sofort in ein ganz anderes Land. Ich musste an ein Mädchen im etwa gleichen Alter denken, das ich vor Jahren im Jemen fotografiert hatte. Mit seiner ebenfalls roten Abaya schien mir Alia wie ein Zwilling des Mädchens aus dem Dorf Qaratil nordwestlich von Sanaa, der jemenitischen Hauptstadt.
Die Anwesenheit westlicher Besucher sprach sich in Windeseile herum, und nach kurzer Zeit fand sich neben einigen Älteren und Jugendlichen auch die ganze Kinderschar des Dorfes ein. Ich habe sie, denke ich, alle fotografiert. Mal einzeln, mal in Gruppen, mal mit der besten Freundin oder dem besten Freund, mal Enkel und Großvater. Sie genossen es und ich auch. Wir konnten uns zwar nicht unterhalten, aber wir verstanden uns auch so.
Dabei konnten sie nicht mal davon ausgehen, die Bilder jemals selbst zu sehen. Aber das spielte keine Rolle. In dem Moment waren sie bedeutsam.
Es sind einige Portraits dieser wunderbaren, stolzen und gastfreundlichen Menschen entstanden, die ich in aller Bescheidenheit für vorzeigbar halte. Aber die »Lady in Red« war schon besonders – ihr ruhiger, ernster und zugleich entspannter und freundlicher Blick, die aufrechte Haltung. Sie schien in sich selbst zu ruhen. Keine Selbstverständlichkeit in einem Land, in dem Mädchen und Frauen nicht viel gelten.
Dass Würde keine Frage des Einkommens oder sozialen Status ist, daran wurde ich bei dieser Reise noch öfter erinnert.
Damals war der brutale Krieg der von Saudiarabien geführten und von den USA unterstützten Koalition gegen dieses bitterarme Land noch weit weg. Der schmutzige Krieg im Geheimen unter anderem gegen Al Kaida fand aber schon statt, ganz sicher auch mit Drohnenangriffen.
»Eye in the Sky« hätte statt in Kenia ebenso gut im Jemen spielen können.
Ich habe oft an die Kinder von Qaratil gedacht und hoffte, dass es ihnen gutgehen möge. Aber sicher war ich nicht. Dort aufzuwachsen ist hart. Und dann kam sieben Jahre später der Krieg, der immer noch andauert. Und wie immer, sind die Kinder die schutzlosesten und ersten Opfer.
Nicht nur im Kino.
Ab und zu veröffentliche ich eines meiner Bilder an dieser Stelle. Und erzähle etwas dazu, was mir wichtig erscheint. Es werden nicht immer die Fotos sein, die online am populärsten waren oder sind. Es können Scans von Bildern auf Film oder digitale Shots sein. Wie auch immer. Wer mag, kann sich gerne dazu äußern. Kommentare sind willkommen.
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